Gesichter des Hauptbahnhofs

Punks, Pendler, Profimanager – am Hamburger Hauptbahnhof begegnen sich täglich 500.000 Menschen. Das Abendblatt gibt der Masse ein Gesicht.
7 Jessica Becher 2 Anish Chawla 3 Kristian Hvitfeldt 4 Tatjana Fehse 5 Miriam Blume 6 Winfried Hering 7 Ulla Koeppen 7 Manore Doren 7 Safet Peci 7 Sena Deku 7 Wolfgang Wilhelm 1 Janina Bargmann

»Leipzig hat den schöneren Bahnhof, in Hamburg finde ich mich aber besser zurecht. Bahnhöfe sind für mich immer Mittel zum Zweck. Nicht mehr, und nicht weniger.«

Jessica Becher
32, Rechtsanwältin
Ist am Vortag für eine Verhandlung am Hamburger Landgericht aus Chemnitz gekommen. Hat eine Viertelstunde gedauert. Gegen Mittag wartet sie auf den Zug nach Hause.

»Sehnsuchtsort? Nee! Der Ansturm der Leute am Bahnhof ist absolute Routine für mich. Ich habe hier schon alles erlebt – Bombenalarm, Feueralarm. Das ist manchmal aufregend. Aber im Grunde gleichen sich die Abläufe, nur die Menschen sind andere.«

Anish Chawla
30, Einzelhandelskaufmann
Ist am frühen Morgen aus Bergedorf gekommen, um im Backgeschäft zu arbeiten, nach der Arbeit geht’s für ihn in die Innenstadt, noch später (in seinen Träumen) nach Australien.

»Ich kenne den Hauptbahnhof noch aus Interrailzeiten, ich finde, es ist hier rauer geworden, man fühlt sich unsicherer als früher.«

Kristian Hvitfeldt
43, Musiker
Betreut eine schwedische Konfirmandengruppe, die von Göteborg über Hamburg in die Schweiz reist und gegen 20 Uhr auf den Nachtzug wartet.

»Unsicher fühle ich mich hier nicht, ich bin eigentlich auch fast täglich hier, das ist einfach ein wichtiger Ort, um in Hamburg unterwegs zu sein.«

Tatjana Fehse
29, Verkäuferin in Elternzeit
Kommt aus Allermöhe und wartet gegen 17 Uhr auf ihre Schwester, beide wollen zu einem Konzert auf die Reeperbahn.

»Im Vergleich zum Bahnhof in Hannover empfinde ich das hier ein bisschen dunkel und jetzt auch relativ leer. Aber einen großen Unterschied kann ich da nicht feststellen.«

Miriam Blume
20, Krankenschwester
War in Lübeck bei einem Bewerbungstest für die Bundespolizei, jetzt, gegen 22 Uhr, wartet sie auf den ICE nach Hause.

»Schöner Bahnhof, gefällt mir. Weniger überfüllt als der in Frankfurt etwa. Nicht sonderlich groß, aber stark genutzt. Immer wenn ich hier übernachte, gehe ich auch abends im Bahnhof essen, die Versorgung stimmt. Dass man von Business bis ausgefallenen Lebensalternativen alles findet, ist interessant. Und manchmal irritierend.«

Winfried Hering
31, IT-Berater
Steigt kurz vor 10 Uhr aus seinem Zug aus Münster, um einen Auftrag bei einem Versicherer in der City-Nord zu erledigen.

»Eigentlich liebe ich Bahnhöfe, weil man hier meistens schöne Sachen vor- oder gerade hinter sich hat. In den Urlaub fährt wie ich jetzt gerade. Als Hamburgerin bin ich natürlich stolz auf unseren Hauptbahnhof, nur ist er zu klein für den Betrieb. Das muss mal geändert werden.«

Ulla Koeppen
89, Sozialpädagogin im Ruhestand
Bricht am Vormittag zu einer einwöchigen Urlaubsreise nach Rügen auf, ist dafür aus Blankenese angereist.

»Ich komme morgens und gehe abends. Für mich ist der Bahnhof eine Art Zuhause. Ich habe hier meinen Platz, kenne einige Leute. Wo soll ich sonst auch hin? Ich versuche, hier über die Runden zu kommen, etwas Geld zu kriegen, ein paar Magazine zu verkaufen.«

Manore Doren
43, obdachlos
Hat sich morgens auf den Weg von seinem Schlafplatz an der Kennedybrücke zum Ausgang am Hachmannplatz gemacht.

»Das ist mein Arbeitsplatz mit vielen Fragen. Dauernd wollen die Leute von mir wissen, wann der Zug fährt, wo das Gleis ist oder ob ich einen Fahrkartenautomaten gesehen habe. Dabei mache ich hier sauber. Das stört mich aber nicht, wobei ich am Anfang beeindruckt von den vielen Menschen hier war.«

Safet Peci
46, Reinigungskraft
Ist um 6 Uhr aus Winterhude zum Saubermachen gekommen. Sein Ziel: Gleis 3 und 4.

»Ich bin oft hier, aber das Gebäude ist für mich nur Durchgangsstation. Ich fühle mich aber wohl, bin noch nie belästigt worden oder so etwas. Am Bahnhof begegnet sich ja auch die ganze Welt. Das ist doch interessant.«

Sena Deku
69, Hebamme im Ruhestand
Fährt aus Tonndorf am frühen Morgen zu einer Freundin nach Eppendorf.

»Für mich ist der Hauptbahnhof eine Katastrophe. Die Leute nehmen vor lauter Handy vor den Augen kaum noch andere wahr. Außerdem ist das ein Hexenkessel. Unübersichtlich, zu viel durcheinander. Ich bin hier zwangsweise und nur ungern.«

Wolfgang Wilhelm
63, Medizintechniker
Kommt aus Wiesbaden, will zu seiner Freundin nach Heimfeld.

»Mit 16 habe ich hier viel rumgehangen, gechillt – ganz eklige Phase meines Lebens. Es gibt viele kaputte Leute hier, falsche Freunde. Aber das liegt hinter mir. Der Hauptbahnhof ist und bleibt aber ein vertrauter Ort für mich. Ich fahre sogar gern Bahn.«

Janina Bargmann
18, Küchenhilfe
Wartet gegen 10 Uhr vor der Wandelhalle auf eine Freundin, um mit ihr nach Harburg zur Arbeit zu fahren.